WIE ALLES BEGANN

Der Malkurs. Es gab für jeden Teilnehmer eine Leinwand und Acryl-Farben. Und es gab diesen Kursleiter, der sagte: "Dann legen Sie mal los". Kein: Malen Sie dies oder das. Kein: Beachten Sie dieses oder jenes. Ganz einfach dies: Legen Sie los. Eine große Leinwand, ein Pinsel, einige Farbtuben und dann diese Aufforderung.

"Dann legen Sie mal los". Vielleicht spüren Sie bei diesem Satz ja wie ich die Schwere, die sich in Ihrem rechten Arm breit macht. Vielleicht schießen Ihnen so wie mir allerlei Bilder durch den Kopf. Was soll ich malen: Eine Blume, einen Baum, das Meer, einen Mensch. Naja, wenigstens eine Landschaft. Das grüne Tal, die ansteigenden Hügel, darüber das Blau des Himmels. Oh mein Gott, wie kitschig. Und überhaupt: Wie malt man, der Unverbildetheit der Kinderzeit entwachsen, bitte eine Blume? Naiv? Also doch lieber abstrakt. Welche Farben? Welche Flächen? Welche Form? Was anfangen mit der Freiheit der großen weißen leeren Leinwand? Welche Farbnuance unter den vielen Schattierungen wählen? Welche zweite, ditte dazu kombinieren? Und überhaupt: Wo auf dieser gähnenden Leere erstmals den Pinsel ansetzen?

Für Anne Pfizenmayer waren das alles keine Fragen. Sie wusste längst die Antwort. Niemand hatte eine Erwartung formuliert, niemand die Grenzen aufgezeigt, niemand warf ein, widersprach. Sie fing einfach an.

Seit diesem Tag malt sie. Seitdem gibt es diese Momente, wenn sie den einstmals weißen Kittel anzieht, ihre Haare aus der Stirn nimmt, auf dass nichts ihren Blick und die Gedanken einengt, in ihr Malzimmer geht, die Leinwand auf den Tisch legt, zu den Farben greift, die an diesem Tag gerade in ihr sind - und malt.


Text von Iris Baars-Werner (Auszug aus einer Vernissage-Rede)